Mohn
Micha H. Echt
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Der CaraWahn kommt selten allein

Der CaraWahn kommt selten allein
 
Schwindelfingen im Herbst

Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe! Lehman Brothers Inc. ist pleite! Eine der weltgrößten Banken zahlungsunfähig! Oberamtsrat Klaus Dipendenti schüttelt den Kopf. Es ist schlimmer als gedacht, viel schlimmer! Dipendenti beobachtet täglich die Börsenwerte und studiert den Dax online auf dem Rathauscomputer. Es ist beängstigend! Die weltweite Finanzkrise schien in diesen Wochen, den letzten Wochen des Jahres 2008, förmlich mit den Händen greifbar zu sein.
Klaus hatte studiert, Klaus war Beamter und er konnte die Zeichen der Zeit erkennen. Noch schien im kleinen Schwindelsingen alles ruhig zu sein, aber er wusste, dass Oma Hilde schon weniger Marmelade eingekocht hatte. „In schweren Zeiten gibt es kein süßes Leben“, lautete ihre Antwort auf seine Frage. Und Oma Hilde musste es wissen.
Der letzte kleine Tante Emma Laden hatte Ende des Sommers für immer geschlossen und der Rundfunkladen nebenan verkaufte immer weniger Fernsehgeräte. Der Mann im Geschäft meint, es liege an den großen Märkten und den Billigangeboten vom Kaffeehaus Bohne, aber war es wirklich so? War nicht doch die Krise Schuld? War sie nicht an Allem Schuld? Klaus wusste genau, was auf sie zukommen würde. Seine Beobachtungsgabe war gut, er analysierte haarscharf und genau, verglich alle Fakten und fällte Entscheidungen. Dafür war er bekannt. Schnelle, klare Entscheidungen bei ausreichend Hintergrundwissen.
Legendär sein Entschluss aus dem Jahre 1997, als er bereits neun Wochen nach Antragseingang die Befestigung eines PKW-Stellplatzes mittels Rasengittersteinen genehmigte. Ohne weitere Auflagen! Hintergrundwissen, Information und Intuition waren wichtig im Leben eines Beamten und nur Klaus wusste, dass es sich damals um den Stellplatz von Oma Hilde handelte.
Aber das waren alte Geschichten, jetzt galt es mit offenen Augen der Krise zu begegnen, den Gürtel enger zu schnallen und ein Programm aufzustellen, womit er und Gertrude diese Zeiten überstehen würden.
Er brauchte ein Sparprogramm! Aber wo fängt man an? Sicher, Klaus könnte Gertrude ab sofort zum Discounter schicken, aber wollte er das wirklich? Klaus machte sich viele Gedanken. Jeden Morgen nach dem Studium des Schwindelfinger Boten nahm er sich genau sechzig Minuten Zeit zum Nachdenken. In den letzten Wochen hatte er viele Möglichkeiten entwickelt und ebenso viele Ideen wieder verworfen, aber dann kam die Rettung. Genau betrachtet kam seine Sekretärin, Isolde Cabra. Wie in jedem Jahr verabschiedete sie sich in den Silvesterurlaub und Klaus fragte aus purer Höflichkeit, wohin es denn diesmal gehen würde. “Karibik, drei Wochen Sonne pur“, flötete sie zurück, drehte sich um und rauschte davon.
Und bei Klaus machte es Pling! Schlagartig wurde ihm klar wo gespart werden konnte und schon am nächsten Adventssonntag kramte er die Rechnungen seines Reisebüros heraus, kontrollierte die letzten 5 Jahre und war geschockt.

Campingchef Marcus Bolso

prostete seinem Gegenüber, Klempnermeister Fritz Kleineplumber, zu und trank genüsslich sein Pils. „Wir sind uns also einig?“, fragte Marcus noch einmal nach. Kleineplumber antwortete nickend: „Jo, gleich im Januar fange ich an.“ Auch Klempner Fritz Kleineplumber war gut gelaunt, hatte er doch gerade einen dicken Auftrag an Land gezogen. Es war gut, dass er sich auf die Solartechnik eingelassen hatte. Sein Slogan „Die Sonne schreibt keine Rechnungen“ machte sich wieder einmal bezahlt. Dabei wusste er genau, dass es sich für die meisten seiner Kunde finanziell überhaupt nicht lohnte Solar zu installieren. Für Kleineplumber schon und für die Umwelt auch. Und für Marcus Bolso.
Campingchef Bolso hatte haargenau nachgerechnet und wollte seine Warmwasserbereitung auf Solartechnik umrüsten. Die Preise waren im Moment so günstig wie nie. So eine Krise hat eben auch ihre guten Seiten.
Die beiden Männer bestellten sich noch ein Bier.
 

Klaus Dipendenti

hatte ebenfalls gerechnet und konnte es kaum glauben. Die letzten 5 Jahre Urlaub hatten ihn sage und schreibe 13.500,00 Euro gekostet, das waren in D Mark 26.403,30! Dabei waren die Angebote des Reisebüros "Tartarinada" günstig, jeweils 3 Wochen für immer knapp 1.500,00€. All inklusive, versteht sich.
Aber da waren dann noch Ausflüge, Leihwagen, Sonnenschirme, Strandliegen, Sonnencreme, günstige Markenartikel, Schmuck, Andenken und der allabendliche Abstecher an die Bar. Klaus schüttelt den Kopf und wusste genau: sein Sparprogramm heißt Urlaub!
Gerade gestern erst stand es wieder im Schwindelfinger Boten, das Reiseland Deutschland liegt voll im Trend und von Schwaben aus war es ja nicht weit bis Deutschland. Klaus rieb sich die Hände, er hatte seine persönliche Krisenlösung gefunden!
In der Woche vor Weihnachten war nicht viel los und die Aktienkurse brauchte er nicht mehr zu kontrollieren. Klaus nutzte die Zeit zum Planen. Er suchte online, studierte Zeitschriften und fragte unauffällig im Kegelklub. Das günstigste Angebot in Deutschland lag bei unglaublichen Acht Euro pro Person und Tag, natürlich mit Selbstverpflegung, natürlich mit eigenem Zelt, natürlich mit eigener Anreise und natürlich auch mit deutschem Sommerwetter. Aber der Preis war unschlagbar. Gertrude! Wir fahren zelten, back to the roots, Natur pur!

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